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Stadt Pfreimd (Druckversion)

Die Fußwallfahrt nach Amberg

Die Fußwallfahrt nach Amberg

"Fußwallfahrt nach Amberg: Zur Teilnahme an der Pfingstwallfahrt zum Mariahilfberg in Amberg ergeht wieder herzliche Einladung. Abmarsch am Pfingstsonntag, um 2 Uhr früh an der Klosterkirche. Der Gottesdienst auf dem Mariahilfberg beginnt um 8.30 Uhr." So oder ähnlich kurz und völlig unspektakulär wird sie jedes Jahr angekündigt, die traditionelle Pfreimder Pfingstwallfahrt, die seit 1946 jedes Jahr stattfindet.

Dahinter verbirgt sich ein Stück Pfreimder Kriegsgeschichte. Erinnerungen an schwere Zeiten, an Ängste, aber auch Hoffnungen während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg werden wach, wenn man die älteren Bürger der Stadt auf die erste Wallfahrt anspricht. Jeder trug sein ganz persönliches Päckchen mit Sorgen und Nöten nach Amberg, darüber besteht bei denen, die dabei waren, kein Zweifel. Feierlich, andächtig und erhaben sei es gewesen. Eines der ganz besonderen Erlebnisse nach dem Krieg. "Die erste Wallfahrt war einfach schön," faßt es Max Götz zusammen, und er ist auch in den folgenden Jahren noch oft mitgegangen.

"Ernst und bedrückend", so steht es in der Klosterchronik vermerkt, hat man in Pfreimd die Lage während der letzten Kriegswochen empfunden. Am 15. April 1945 hat deshalb der damalige Guardian des Klosters, Pater Sigismund Keck, die Pfreimder um 16.30 Uhr zu einer Marienandacht "berufen". "In der Predigt stärkte ich das Vertrauen auf Maria, die Hilfe der Christen. Mit der Weihe an Maria gelobte ich der Gottesmutter eine Dankwallfahrt nach Mariahilfsberg Amberg" (...) Damit sprach der Geistliche offensichtlich die Hoffnungen und Ängste vieler Bürger an. Man traf sich täglich zum abendlichen Rosenkranz. Keck notierte: "Die Beteiligung ist eine gute und es wirkt beruhigend auf die Leute. (...) Viele fanden wieder nach Jahren heim zum Glauben."

Tatsächlich wurde Pfreimd ja von den Bomben verschont und auch bei der Einnahme durch die Amerikaner am 22. April ging es glimpflich ab. Also machte man sich an die Planungen, was während der Besatzung wohl nicht ganz einfach war. Josef Igl erinnert sich, daß sein Vater im Herbst 45 aus einer Sitzung der Marianischen Männerkongregation nach Hause gekommen sei und angekündigt habe, jetzt werde es ernst mit der Wallfahrt. Zum ersten Mal stattgefunden hat sie dann am Pfingstsonntag, dem 9. Juni 1946.

Nachts um zwei trafen sich die Pfreimder vor der Klosterkirche. Vom Kleinkind bis zu 80jährigen Alten waren alle dabei, die etwas auf dem Herzen hatten. Angehörige waren im Krieg geblieben oder noch in Gefangenschaft. Ungewißheit, Krankheit und materielle Not, irgend etwas hat damals jeden bedrückt. Auf der anderen Seite waren einige doch wieder heil nach Hause gekommen und die Familie machte sich jetzt aus tief empfundener Dankbarkeit auf den Weg. Geredet wurde in dieser Nacht nicht viel über das persönliche Schicksal, aber die besondere Atmosphäre lag in der Luft.

In Dreierreihen habe man sich zum Abmarsch aufgestellt und dann zog man los. Voran das Kreuz aus der Klosterkirche, Georg Igl hat es über der Schulter getragen. Einer seiner Söhne war zu dieser Zeit noch in Kriegsgefangenschaft und sein innigster Wunsch damals lautete: "Wenn der Junge wiederkommt, trage ich das Kreuz solange ich kann." Das hat er dann auch 25 Jahre lang gemacht. Nach dem Kreuz kam eine Gruppe junger Männer mit kräftigen Stimmen, die den Rosenkranz vorbeteten. Der Kaminkehrermeister Ludwig Weber fungierte als Lotse für den Zug. Sein Beruf brachte es mit sich, daß er die gesamte Gegend genau kannte. Es folgten die restlichen Männer und dann die Frauen. Die Wallfahrtsroute verlief 1946 noch etwas anders als heute. Auf Feld- und Flurwegen, teilweise durch sumpfiges Gelände und überwiegend im Wald war man unterwegs. Die Leute gingen barfuß, in Sandalen oder was man gerade so hatte. Obwohl bei der ersten Wallfahrt schönes Wetter herrschte, waren die Füße wegen des Morgentaues und des Geländes in kürzester Zeit durchnäßt. Wer sich den Luxus von Socken leistete, der hatte mehrere Paar dabei, sonst gab es unweigerlich Blasen.

Von Untersteinbach über Ragenhof, Gösselsdorf und Wolfsbach zog man in der ersten Etappe nach Schleißdorf, wo auch heute noch traditionsgemäß genau eine halbe Stunde Pause gemacht wird. In jeder Ortschaft, die man durchquerte, gaben die Kirchenglocken Geleit und neue Wallfahrer schlossen sich der Gruppe an. Wenn es nicht zu steil war, betete man unentwegt den Rosenkranz, ansonsten war es eher still. Die Jungen vorne mußten immer wieder auf die Nachzügler warten. "Da waren einige uralte Frauen mit soviel Eifer dabei. Als Junge haben wir uns nur gewundert, wie die Mutterln das schaffen", berichtet Josef Igl. Er ist sich sicher, daß sie das nur deshalb überstanden haben, weil sie etwas ganz Spezielles "asghoiß'n", also gelobt, hatten. Trotzdem gab es bei der ersten Wallfahrt keinen einzigen Zwischenfall. Sanitäter und Notwagen gab es ohnehin nicht, einige starke Burschen mit Franzbranntwein bildeten das Einsatzteam, wurden aber nicht gebraucht.

In Schleißdorf wurden an der Brücke die Bittgänger gezählt, - 100 männliche und etwa 250 weibliche Pfarrangehörige sind in der Klosterchronik vermerkt - dann durfte man sich kurz ausruhen. Wer Essensmarken hatte, der konnte etwas kaufen. Die meisten hatten allerdings ihren Proviant selbst dabei. Bei den einen langte es nur zu einem Stück trockenen Brotes, bei anderen gab es schon mal Geräuchertes. Gegen sechs Uhr ging es betend weiter über Wutschdorf, Hötzelsdorf, Lintach und Raigering zum Fuß des Mariahilfberges. Gut 25 Rosenkränze habe man im ganzen gebetet, erinnert sich Josef Igl. Lediglich zwischen Lintach und Raigering war der Zug ein Stück auf einer richtigen Straße unterwegs und da wurden dann Marienlieder gesungen.

Am Fuße der Kirche, an einem Waldrand haben sich die Pfreimder noch einmal vorbereitet. Man hat sich gewaschen, die Kleider oder doch zumindest die Schuhe gewechselt, um für den Gottesdienst sauber zu sein. An-schließend kam der Moment, den alle als besonders feierlich und schön in Erinnerung haben. Unter Glockengeläut kamen ein Pater und Ministranten vom Mariahilfberg entgegen, um die Wallfahrer abzuholen. "Die Glocken haben so geläutet, daß man meinte, der Berg fällt zusammen," beschreibt Max Götz diesen Augenblick. "Alle waren wirklich mit Andacht dabei," erzählt Josef Igl. Als die Pfreimder die Kirche betraten, haben die Amberger die Bänke für sie freigemacht. In der gut einstündigen Messe soll dann das Gelübde keine so große Rolle gespielt haben (Erinnerung E. Wirner). Danach hatte man den Nachmittag in Amberg zur Verfügung. Wer Geld hatte, ging auf die Dult, obwohl es dort außer einem Karussell nicht viel zu bestaunen gab.

In den ersten Jahren der Wallfahrt, da gab es aber auch einige, die zu Fuß wieder nach Hause gingen. Sei es, daß sie ein ganz besonderes Anliegen hatten, sei es, daß ihnen das Geld für den Zug fehlte. Maria Eulers soll gesagt haben: "Ich mach a ganze Arbeit, sonst is des koa richtige Wallfahrt." Sie hat sich gleich nach der Messe wieder auf den Rückweg gemacht, genau wie Michael Prill, der damit ebenfalls ein Gelübde ableisten wollte, weil er heil aus dem Krieg heimgekehrt war. Für die große Masse aber ging es am Abend (Zeitangaben uneinheitlich) mit dem Zug zurück nach Pfreimd, dabei mußte man in Irrenlohe einmal umsteigen. Dort standen damals noch die ausgebrannten Waggons eines bombardierten Güterzuges und erinnerten noch einmal alle an den glücklich überstandenen Krieg.Vom Pfreimder Bahnhof wurde dann nochmals "bis zum Kloster hingebetet." In einer feierlichen Prozession zogen die Bittgänger wieder durch Pfreimd. Mit "Großer Gott wir loben Dich" und einem letzten Segen endete der Tag. In der Klosterchronik heißt es zusammenfassend: "Der Pfingstsonntag (..) stand unter dem gewaltigen Eindruck der Dankwallfahrt nach Amberg für die wunderbare Erhaltung unserer Stadt. (..) Der Wunsch ist heut: Alle Jahre nach Amberg. "

Alexandra Scheinost

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